„Unsere Welten bauen wir“

Machmoud trägt die traditionelle Kleidung der Baye Fall (West Afrika), den Ndiakhasse; Fotos: Nangadef e.V.

Die drei Bündnispartner Nangadef e.V., Soziokultur Sangerhausen e. V. und Kreis- Kinder- und Jugendring Mansfeld-Südharz e. V., alle aus der Kleinstadt Sangerhausen in Sachsen-Anhalt, hatten Glück: Während der geplanten Schnupperveranstaltung und der beiden Ferienkurse zu Zirkusakrobatik und Tanz gewährte die Corona-Pandemie Deutschland gerade eine kurze Atempause, sodass ihr Projekt „Unsere Welten bauen wir“ ohne übermäßige Einschränkungen stattfinden konnte. „Zu diesem Zeitpunkt begegneten uns keine größeren Vorbehalte, aufgrund der Infektionsgefahr an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Teilnehmenden hatten enormen Bewegungsdrang und waren voller Energie dabei“, erzählt die Projektleiterin Dorothea Splettstößer von Nangadef e.V. In Sangerhausen gibt es zwar vereinzelte Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche. Doch bilden Projekte, in denen zielgerichtet in der Gruppe künstlerisch gearbeitet und gemeinsam auf eine Präsentation hingewirkt wird, eher die Ausnahme. Entsprechend groß war das Interesse der Teilnehmenden.

„Sorry, aber ich höre nur arabische Musik“

Diese waren ausdrücklich dazu aufgefordert, sich mit eigenen Ideen einzubringen. Das war für viele der Kinder und Jugendlichen eine ungewohnte Erfahrung. „Gerade die jüngeren Teilnehmenden brauchten einen Moment, um zu verstehen, dass sie wirklich jeden Tag kommen dürfen und die Projektarbeit mitgestalten können“, erzählt die Projektleiterin. Sie berichtet von einem Teilnehmer, der sich dafür entschuldigte, „nur“ arabische Musik zu hören. „Wir haben ihm dann erklärt, dass wir uns ganz im Gegenteil darüber freuen, wenn die Teilnehmenden interkulturelle Musik mitbringen und dass nicht alles von uns vorgegeben ist.“ Denn gerade aus der Reflexion der eigenen Lebenswelt und dem gegenseitigen Austausch hätten sich die spannendsten Geschichten ergeben. So kam es dann auch, dass einer der beiden Ferienkurse, anders als ursprünglich geplant, nicht die Erarbeitung eines Theaterstücks zum Inhalt hatte. Auf Wunsch der Kinder und Jugendlichen drehte er sich stattdessen hauptsächlich ums Thema Tanz. Am Ende stand dann – coronabedingt nur in kleinem Rahmen – eine Tanzvorführung vor Eltern und Vereinsmitgliedern. Die Teilnehmenden waren stolz auf ihre Leistung, doch war die Abschlusspräsentation auch für die Eltern sehr berührend und eindrücklich, erzählt Frau Splettstößer: „Sie konnten ihre Kinder dadurch noch einmal ganz anders erleben und auf eine neue Art kennen lernen. Besonders schön war, dass wirklich alle Eltern zur Vorführung gekommen sind, das ist nicht immer so.“ Auch die Abschlussshow des zweiten Ferienkurses zum Thema Zirkus war ein voller Erfolg. Hier war es besonders wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen beim gegenseitigen Sichern verantwortungsvoll miteinander umgehen. „Es war schön zu beobachten, dass die Teilnehmenden im Projekt lernten, auf den Punkt mit dem Herumalbern aufzuhören und Verantwortung füreinander zu übernehmen.“ Manche der Kinder und Jugendlichen nahmen an beiden Projekten teil und hätten im zweiten Kurs die neu hinzugekommenen Kinder als „Expert*innen“ besonders unterstützt.


Elia im Projekt „Unsere Welten bauen wir“; Foto: Nangadef e.V.

Doch gab es auch kleinere Herausforderungen. Die Bündnispartner*innen sind normalerweise bemüht, eine möglichst diverse Teilnehmendengruppe zu versammeln. In diesem Projekt ist das nicht ganz wie geplant gelungen, da keine Kinder und Jugendlichen ohne Migrationsgeschichte erreicht werden konnten. Damit sei eines der Projektziele, den Austausch zwischen Kindern und Jugendlichen mit- bzw. ohne Migrationsgeschichte im Sozialraum zu fördern, nicht vollumfänglich erreicht worden. Doch hat das Bündnis bereits Ideen, wie die Ansprache der Zielgruppe bei künftigen Projekten verändert werden kann, um eine möglichst breite Gruppe an Teilnehmenden zu erreichen. Andere Kinder und Jugendliche durften seitens der Eltern nicht teilnehmen, weil diese einer öffentlichen Tanzaufführung skeptisch gegenüberstanden. Hier sei eine intensive und einfühlsame Kommunikation notwendig, da gerade das Thema Tanz mitunter problematisch konnotiert sei.

„Kultur Macht Stark“ im ländlichen Raum: „Es kann nicht genug solcher Angebote geben“

Die meisten der von „InterKulturMachtKunst – KunstMachtInterKultur“ geförderten Projekte sind in größeren Städten angesiedelt. Dabei biete der ländliche Raum durchaus Vorteile, berichtet Frau Splettstößer: „Ich kann natürlich nicht für alle sprechen. Aber meinem persönlichen Eindruck nach gibt es hier viel mehr ehrenamtliches Engagement als in Großstädten. Die Leute sind alle unheimlich hilfsbereit und sehr gut vernetzt. Das hat sich für unser Projekt als großer Vorteil erwiesen.“ Doch auch die vertraute Zusammenarbeit mit den Bündnispartner*innen, deren guter Zugang zur Zielgruppe sowie bestehende Netzwerke vor Ort hätten sich positiv auf das Projekt ausgewirkt. „Durch Corona fühlen sich viele Menschen abgehängt. Solche kostenlosen Angebote sind insbesondere in dieser Situation gesellschaftlich notwendig und sehr wichtig für die Teilnehmenden und auch ihre Familien. Davon kann es gar nicht genug geben.“

Vollfinanzierung als große Chance

Vor diesem Hintergrund möchte sie auch bislang unerfahrene Bündnisse ermutigen, eine „Kultur Macht Stark“-Förderung in Betracht zu ziehen. Zwar sei der Antragsprozess mitunter anspruchsvoll, doch werde man dabei auch gut unterstützt. Und die Mühe zahle sich aus, denn eine Projekt-Vollfinanzierung sei eine große Entlastung: „Gerade im Moment, wo vielen Vereinen die ohnehin knappen Eigenmittel fehlen, sind Vollfinanzierungen sehr wichtig.“ Sie rät, die Abrechnung gut vorzubereiten und alle für den Verwendungsnachweis notwendigen Unterlagen von Anfang an zu sammeln und kontinuierlich zu aktualisieren. Damit erspare man sich viel unnötige Arbeit.

Was die Teilnehmenden des „Unsere Welten bauen wir“-Projekts betrifft, stehen Frau Splettstößer und ihr Team nach wie vor mit vielen in Kontakt und konnten einige auch für weitere Projekte begeistern. Zum Beispiel ging kürzlich ein Projekt zum Thema Kinderrechte zu Ende, weiterhin ist nach Corona eine weitere, öffentliche Präsentation der Tanz- und Zirkuswoche angedacht. Außerdem macht Frau Splettstößer fleißig Werbung für die Jugendleitercard. Denn geeignete Fachkräfte, insbesondere solche mit Migrationsgeschichte, seien, anders als engagierte Ehrenamtliche, im ländlichen Raum nicht immer leicht zu finden. „Wer weiß, vielleicht gibt es dann in einigen Jahren mehr Fachkräfte mit Migrationserfahrung für unsere Projekte?“

Kontakt: Dorothea Splettstößer,
Bündnispartner: Nangadef e.V., Soziokultur Sangerhausen e. V., Kreis- Kinder- und Jugendring Mansfeld-Südharz e. V.
Format: Ganztagsveranstaltung, Ferienkurs


Mohammad im Projekt „Unsere Welten bauen wir“; Foto: Nangadef e.V.



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Format: Ferienangebot
Bündnispartner: Nangadef e.V., Soziokultur Sangerhausen e. V. und Kreis- Kinder- und Jugendring Mansfeld-Südharz e. V.
Stadt:Sangerhausen