Musik als Laboratorium

Mit einfachen Mitteln wie Plastikflaschen und Nylonseilen selbst ein Cello bauen, erleben, wie Ton
und Klang entstehen, gemeinsam Musik machen: das konnten Kinder im Zuge des Projekts „Musik als
Laboratorium“.
Zusammen mit dem Hort Abenteuerland und der evangelischen Kirchengemeinde hat die
Künstlerstadt Kalbe das Projekt ins Leben gerufen.
Kalbe liegt in der Altmark in Sachsen-Anhalt und hat knapp 2000 Einwohner. Von A nach B kommt
man ohne Auto in der Gegend schlecht. In der Grundschule und den naheliegenden weiterführenden
Schulen gebe es so gut wie keinen Musikunterricht, so Corinna Köbele, Leiterin der Künstlerstadt
Kalbe. Vor allem Kinder aus einkommensschwachen Familien haben nicht die Möglichkeit, die
kilometerentfernte kostenpflichtige Musikschule in Salzwedel zu besuchen. „Umso wichtiger sind
außerschulische Angebote, in denen Kinder Musik erleben, Musik erfahren und Musik machen
können. Niedrigschwellig. Leicht zugängig. Für alle Kinder“, sagt Corinna Köbele.
Um Kulturprojekte im ländlichen Raum umzusetzen, ist laut Corinna Köbele eine aufsuchende Kinder und Jugendarbeit wichtig. Ganz freie Angebote funktionierten dort wegen der weiten Distanzen und
der stark eingeschränkten Mobilität der Kinder nicht. Mit einem Projekt, bei dem die Eltern die Kinder
bringen und abholen müssten, erreiche man die eigentliche Zielgruppe nicht. Deren Eltern hätten
nämlich weder die Mittel noch die Zeit, um die Kinder durch die Gegend zu fahren. Daher sei es
wichtig, Horte und bestehende Gruppen und Organisationen wie zum Beispiel Jugendfeuerwehren
anzusprechen und Bündnisse zu schließen. Eventuell könne in Räumen dieser bestehenden Gruppen
zu Zeiten, an denen Kinder sowieso dort seien, künstlerische Projekte durchgeführt werden. „Das
Interesse der Kinder ist auf jeden Fall riesig“, sagt Corinna Köbele.
Alle Kinder aus der ländlichen Region im Alter von 6 bis 12 Jahren waren eingeladen, sich für das
Projekt anzumelden. Auch die Kirchengemeinde nutzte ihre Kontakte und rührte die Werbetrommel.
Mit Els Vandeweyer, Elisabeth Coudoux und Sascha Henkel gelang es der Künstlerstadt Kalbe drei
professionelle Musiker*innen mit reichlich musikpädagogischer Erfahrung für die Durchführung der
Projektworkshops zu gewinnen. Über sechs Monate hinweg besuchten die drei Musiker*innen
abwechselnd Kalbe, um in den Räumen des Horts Abenteuerland verschiedene Workshops zu leiten.
Im Mittelpunkt der Workshops standen die Improvisation und das Erleben der Musik über Klänge,
Töne und Geräusche. Anders als es vielleicht viele aus eigenen Musikschulerfahrungen kennen, ging
es in diesem Musikprojekt nicht darum, das Noten lesen zu lernen oder die ersten koordinierten Töne
auf einem Instrument zu spielen. Stattdessen stand das kreative Musikmachen im Vordergrund. So
konnten die Kinder spielerisch ihre Begeisterung für Musik entdecken.
Außerdem konnten die Kinder erleben, wie gemeinsames Musikmachen miteinander verbindet.
Damit gemeinsam Musik entsteht, sei es wichtig zu hören, was die anderen Kinder tun, erzählt
Corinna Köbele. Alte Gruppendynamiken würden aufgebrochen und jedes Kind würde eine völlig
neue Rolle innerhalb der Gruppe finden. Gleichzeitig würde so auch der Sinn für Gemeinschaft
gefördert.
Nach jedem Workshop stellten die Kinder zusammen mit den Workshopleitenden ein Konzert auf die
Beine. In diesen wurden auch die selbst gebauten Instrumente verwendet und bei manchen
Musikstücken übernahmen sogar teilnehmende Kinder das Dirigieren.
„Die Neugier auf Musik ist gestiegen“, stellt Corinna Köbele zufrieden fest. Kinder, die vorher keinen
Zugang zu Instrumenten und Musik gehabt hätten, seien auf einmal ganz versessen darauf, im
Anschluss an die Workshops ein Instrument zu lernen. Einen großen Anteil für diese Motivation
haben die Musiker*innen. Sie sind für die Kinder Inspiration und Rollenbilder für einen künstlerischen
Werdegang. So habe eine Mutter Corinna Köbele bei einer der Aufführungen erzählt, dass Ihre
Tochter unbedingt Cello lernen wolle, so wie die Workshopleiterin Elisabeth Coudoux. Ein anderes
Kind habe nach dem Workshop beim Gitarristen Sascha Henkel die Begeisterung für die Gitarre
entdeckt



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Format: Regelmäßiges Angebot
Bündnispartner: Künstlerstadt Kalbe, Hort Abenteuerland, Evangelische Kirchengemeinde